Preloader
 

Glockenbachblues, reloaded

Ach, meine lieben Mitspaziererinnen und Mitspazierer (im Folgenden und in naher und ferner Zukunft Mitspazierer*innen genannt), also meine geschätzten Mitspazierer*innen, wenn ich dieser Tage so durch unser Viertel flaniere…

Erinnern Sie sich noch dran?

Ja? Respekt, dann haben Sie wohl irgendwann in den Nullerjahren das Szenebladl Sergej/Leo gelesen.
Nein? Auch recht. Ich habe in diesen viele Jahre lang die Kolumne „Glockenblachblues“ geschrieben. Das hat mich weder reich noch berühmt gemacht, aber zumindest ein paar Leute hat es damals erfreut.

Tja, meine lieben Mitspazierer*innen, knapp 10 Jahre sind seitdem in die Stadt gezogen, und gut 100.000 Menschen gleich mit dazu. Und wenn ich heute so durch unser Viertel flaniere…
Nein.
Halt.
Stopp.

Erstens mal flaniere ich momentan schon mal gar nirgends. Außer virtuell, am Bildschirm.
Zweitens, und das ist zu betonen, sicher nicht durch „unser“ Viertel. Denn das Glockenbachviertel mag ja vieles sein, aber ganz sicherlich nicht mehr das Wohnzimmer der queeren Münchner Szene. Da hilft auch kein Freddie-Mercury-Bild auf dem Pissoir am Holzplatz. Der Kas is bissen, this ship has sailed. Die Müllerstraße ist zum Wurmfortsatz der Partybanane degradiert. Razzien gibt es heute nicht mehr, um ein paar Stricher aus der Utzschneiderstraße zu fischen, sondern um Feierpublikum vom Gärtnerplatz zu räumen. Auf den letzten Inseln, die noch eine Regenbogenfahne hissen, halten sich ein paar Tapfere – oder sind’s eher Übriggebliebene, die einfach noch nicht gemerkt haben, dass sie Robinson sind und Freitag längst weitergezogen ist?
Wie dem auch sei, letztlich ist auch das egal, denn der Klimawandel im Glockenbach ist ebenso erbarmungslos wie der auf den Malediven. Und seien wir uns mal ehrlich: das Viertel verträgt schon noch ein paar 10-Euro-Friseure, Hipster-Cafés und Kinderwagenparkplätze. Davon kann man nie genug haben.

Nostalgie ist nett, aber…

Wenn Sie sich jetzt denken „Oh je, die nächste Nostalgikerin, die sich an ihre verwelkte Jugend krallt“ – nein, tut mir leid, knapp daneben ist auch vorbei.
Die meisten Städte wandeln sich, ununterbrochen, zumindest an der Oberfläche. Das ist auch gut so, denn Stillstand führt zu Erstarrung und damit zwangsläufig nach Augsburg. Nur größer.
Das ist schon ok so. Stellen Sie sich vor, Sie würden auf Ihrem nächsten Italien-Trip am Kolosseum nicht von Taschendieben und Salmonellen-Eis-Verkäufern abgezockt, sondern von ein paar schlecht gelaunten Gladiatoren den Löwen zum Fraß vorgeworfen. Sehen Sie, das ist Stillstand in Städten: ein schneller Tod zur Volksbelustigung. Der Fortschritt kommt mit Darmkrämpfen. Wenn Sie das jetzt für einen ausgemachten Schmarrn halten – nun, essen Sie sich mal durch das Street-Food-Angebot auf der Müllerstraße. Sobald Sie sich erholt haben, werden Sie mich verstehen.

Wandel ist nötig,
gibt aber Blähungen

Wandel ist notwendig und Wandel ist gut, solange er nicht zum Selbstzweck wird. Oder zur reinen Simulation. Die Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix-Nummer funktioniert auf urbaner Skala nicht wirklich. Und schon gar nicht in Zeiten wie diesen, in denen Irrsinn zum Normalzustand und absurdeste Meinungen zum Mainstream werden.

Ich möchte mit meinem Blog den Wandel begleiten, kritisch begutachten und ab und an meinen Senf dazugeben. Wenn Ihnen das gefällt, freut es mich.

Wenn nicht – nun, es gibt ja durchaus noch ein paar Trillionen Alternativen.

In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal.
Ich bin Sarah Jäckel,
bleiben Sie gesund.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert